20
Oktober
2011

Das anonyme Internet

Oder: "Wie mir das anonyme internet ernsthaft zu schaffen macht."

Liebe Frau ******,

das Problem ist folgendes:
Ich erhalte täglich sehr viele E-Mails, mehr als ich beantworten kann. Jeder möchte einen Rat und zwar sofort und kostenlos.

Bis letztes Jahr noch bin ich auf E-Mails wie die von Ihnen sofort auf den Friedhof gefahren, habe mir die Grabstelle angesehen, Fotos gemacht, ein klomplettes Leistungsverzeichnis erstellt einen Komplettpreis genannt und dann auch den Auftrag bekommen.

Das Erstellen eines Angebotes kann also locker mal einen halben Tag in Anspruch nehmen.

Inzwischen ist es so, dass die Anfragenden über Internet meine Beratungsleistungen gerne kostenlos in Anspruch nehmen, mein mühevoll erstelltes Leistungeverzeichnis aber ganz einfach per Weiterleitung (das sind ein paar wenige Klicks) an andere Steinmetzbetriebe verteilen, die auf mein ausgedrucktes Angebot dann meinen Preis durchstreichen und handschriftlich ganz einfach ein günstigeren Preis darunterschreiben können, weil für sie das mühevolle Erstellen des Leistungeverzeichnisses entfallen ist, da ich es ja bereits völlig kostenlos erledigt habe.

Es ist jedenfalls so, dass wenn ich eine Anfrage bekomme gar nicht mehr erfreut reagiere, sondern aus Erfahrung schon weiss: Ach, da schickt ein Anonymer mich mal wieder queer durch die Stadt, nimmt meine Beratungsleistung kostenlos in Anspruch und lässt dann nie wieder was von sich hören. Weill jetzt weiss er ja schon welche Arbeiten genau notwendig sind und mit meinem Leistungesverzeichnis kann er eben mal bei anderen nachfragen. Und wenn ich je doch wieder was zu hören bekomme, dann: "Ja, das ist halt der Wettbewerb." ..., nein, das ist kein Wettbewerb sondern Unsinn.

Ich kann tagelang damit zubringen durch die Stadt zu fahren, Leistungsverzeichnisse erstellen, Fundamente überprüfen, Verunreinigungen am Stein bestimmen, Schriftarten bestimmen, Diagnosen erstellen, Behandlungsvorschläge, Kalkulationen erstellen, Telefonieren, Telefonieren ... und nie sehe ich nur einen Cent für diese Arbeit.

Deshalb wird in Zukunft das Erstellen von Leistungsverzeichnissen und Beratung nicht mehr kostenlos sein können. Früher gieng es noch, heute ist es nicht mehr möglich. Das werde ich in nächster Zeit entsprechend auf meiner Website anders und für jeden verständlich darstellen müssen sobald ich die Zeit dazu habe.

Eine Lösung für dieses Problem habe ich noch nicht gefunden.

Zum Vergleich: Wenn ich meinen Arzt anrufe und ihm sage, dass ich Bauchschmerzen habe und um einen Rat Frage, dann erhalte ich für dieses Telefongespräch eine Rechnung und zwar eine saftige. Kassenpatienten wissen das gar nicht.

Ich aber soll Deutschlands kostenlose Telefon-Hotline sein? In Zukunft wird sich daher einiges ändern und ich gebe mich momentan mit den Kunden zufrieden, bei denen ich eindeutig erkennen kann, dass hier für mich ein Auftrag ensteht.
Auf eine anonyme E-Mail hin kann ich jedenfalls nicht mehr tätig werden.

Dasselbe gilt für die Gestaltung von Grabdenkmalen. Per E-Mail erhalte ich nicht selten komplette Entwürfe zugesendet. Im Kopf der E-Mail kann ich sehen, dass dieser an zehn andere Steinmetzbetriebe gesendet wurde, mit der Aufforderung einen Preis abzugeben. Vergleichsangebot wird das dann genannt. Derjenige der sehr viel Zeit in diesen Entwurf gesteckt hat, dessen Namen wird dann von dem Absender aus den Zeichnungen und Kalkulationen ausgelöscht, Briefköpfe abgedeckt, ... . Selbstverständlich unterhhält man sich gerne mal mit jemendem unverbindlich, fertigt einen Entwurf und stellt dafür nicht gleich eine Rechnung. Jemanden einen Entwurf fertigen zu lassen und dann aber damit zu anderen gehen, das ist auf gut bayrisch g'sagt: gschert. Da diese Unsitte sich aber wie mir scheint häuft, können in Zukunft auch Beratungsgespräche und Entwurfsarbeiten nicht mehr unverbindlich und schon gar nicht kostenlos sein.

Mit freundlichen Grüßen
A.Beierlein
www.steinmetz-muenchen.de
______________________________________________________

Eine Antwort, nachdem ich die allgemeine Preisliste auf eine Anfrage zugeschickt hatte:
http://www.steinmetz-muenchen.com/pdf/a1...-bestellung.pdf

Am 20.10.2011 12:56, schrieb ***@***.de:
> Sehr geehrter Herr Beierlein,
> ihre Antwort kann ich leider nicht nachvollziehen.
> Wäre es mir möglich gewesen die detailiert beschriebenen Positionen laut ihrer Preisliste selbst zu beziffern, hätte ich dieses getan. Da ich bereits auf ihrer Homepage war fehlte es mir nicht an einer Preisliste.
> Sie sind auf meinen Auftrag nicht eingegangen. Eigentlich wären nun konkrete Rückfragen das einzige gewesen was ich erwartet hätte, um danach ein Angebot zu erhalten.
> Telefonische Klärungen scheinen nicht möglich zu sein.
> Wir dachten wenn wir eine Münchner Firma, um ein Angebot bitten würde das schneller funktionieren.
> Aber leider scheint das nicht der Fall zu sein.
> Ihre Antwort ist erneut nichts als eine Standardantwort.
> Dies hat 3 Tage gedauert und beinhaltet keinerlei nützliche Aussage.
> Wir werden uns nun an einen anderen Steinmetz wenden, der uns schneller weiter helfen kann.
> Uns läuft die Zeit davon.
> Es lebe das anonyme Internet.
>
> Grüße ***



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